Die meisten von uns sind es gewohnt, dass Meetings eine Tagesordnung haben und von bestimmten Verantwortlichen geleitet werden. Es geht meistens um das Erstreben von „Einigung“, um möglichst rasch zum nächsten Tagesordnungspunkt überzugehen.
Dabei sind Meetings auch ein Ort des Ideenaustauschs!
Doch sehr viele sitzen in Meetings, in denen Folgendes passiert:
Man sitzt im Meeting, hört zu – und fragt sich still, warum man überhaupt da ist. Die Themen berühren kaum den eigenen Arbeitsbereich. Es entsteht kaum ein echter Austausch, dafür werden alte Entscheidungen wieder aufgewärmt und neu hinterfragt. Andere Themen? Drehen endlos ihre Runden – ohne Ergebnis. Am Ende verlässt man den Raum ohne Klarheit. Aber mit dem Gefühl, viel Zeit vergeudet zu haben.
Alternative Meinungen oder gar abweichende Ansichten? Meine Güte, bloß nicht. Die kosten Zeit!
Dabei sind diese ignorierten, alternativen Ansichten das Tor zu Innovation und Kreativität. Der Mangel an Akzeptanz und Wertschätzung für neue, wahrscheinlich herausfordernde Ansichten führt dazu, dass das ewig gleiche fortgesetzt wird. Das Festhalten am „ewig Gleichen“ kann in der heutigen Zeit Kündigungen von jungen Talenten bedeuten und langfristig gesehen zum Scheitern führen.
Wie kann es also gelingen, andere Meinungen und Ansichten einzuladen, ohne dass das eintritt, was viele aus Entscheidungsprozessen kennen: Sobald viele mitreden, kippt der Prozess – er zieht sich, frustriert und blockiert.
In diesem Beitrag erfahren Sie, warum die beste Methode allein nicht hilft und was Sie als Führungskraft tun können, um die Entscheidungsfindung im Team wirksam zu gestalten und zu guten Entscheidungen zu kommen.
Woran Entscheidungsfindung im Team häufig scheitert
Die meisten Führungskräfte sind in einem bestimmten Fachgebiet ausgebildet worden, einige haben wahrscheinlich akademische Abschlüsse. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Ihr Führungsstil auf dem beruht, was Sie durch Ihre berufliche Ausbildung gelernt haben und/oder durch Ihre Erfahrungen aufgebaut haben.
Die wenigsten Führungskräfte sind sich dessen bewusst, wie sehr das Führungsverhalten die zwischenmenschliche Dynamik beeinflusst.
Ja, oft wird wahrgenommen: Da ist Widerstand oder mangelnde Zustimmung zum Entscheidungsprozess. Aber sind Sie in der Lage die Besonderheiten des widerständigen Verhaltens zu erkennen oder wissen Sie, wie Sie darauf reagieren sollen?
Ein moderner Blick auf Gruppendynamiken – inspiriert von Ansätzen wie Deep Democracy und der Prozessarbeit – bietet hier wertvolle Impulse. Besonders der von Greg und Myrna Lewis entwickelte CoResolve-Ansatz zeigt, wie man auch in komplexen Teamkonstellationen Beteiligung fördern und tragfähige Entscheidungen ermöglichen kann.
In meiner Arbeit beobachte ich folgende zentrale Ursachen, die die Entscheidungsfindung im Team erschweren:
Nicht alle Stimmen werden gehört
Wir neigen dazu während Diskussionen den lauten und dominanten Stimmen unsere Aufmerksamkeit zu schenken, übersehen oftmals die eher leiseren und kritischen Perspektiven. Damit fehlen jedoch Stimmen aus dem Team und somit aus der Wirklichkeit. Das kann später zu Widerstand, Boykott oder Rückzug führen. Nur weil etwas nicht gesagt wurde, heißt das nicht, dass es nicht wirkt. Es wirkt – nur eben im Hintergrund.
Widerstand wird ignoriert oder unterdrückt
Manche Teams neigen dazu Einigkeit herzustellen, auch wenn sie nicht echt ist. Abweichende Meinungen von Teammitgliedern werden als störend empfunden oder kleingeredet. Doch Widerstand ist kein Problem, sondern ein Signal, das in den Entscheidungsprozess integriert werden muss.
Konflikte werden vermieden, statt genutzt
Wenn Teammitglieder versuchen, Konflikte zu umgehen, bleiben wichtige Spannungen ungelöst. Unterschiede sind Ressourcen. Denn Polarisierungen helfen, eine Sache von allen Seiten zu sehen. Voraussetzung dafür ist, man stellt sich ihnen.
Es fehlt an emotionaler Offenheit
Wir neigen dazu zu denken, dass Business rein rational sei. Daher werden Emotionen oft aus dem Prozess der Entscheidungsfindung ausgeklammert. Dabei beeinflussen sie jede Entscheidung. Echte Beteiligung kann nur entstehen, wenn wir auch Gefühle, Unsicherheiten oder Spannungen mit ins Boot zu holen.
Die Entscheidung wirkt nicht als gemeinsame Entscheidung
Nach außen ist klar: Die Entscheidung soll im Team getroffen werden. Doch im Inneren bleibt bei dem einen oder anderen Teammitglied Unsicherheit. Manche glauben nicht wirklich daran, dass ihre Meinung Gewicht hat und vieles bleibt unausgesprochen.
Gerade dieser Punkt ist für Führungskräfte herausfordernd. Schließlich haben sie doch mehrfach betont, dass sie Teamentscheidungen wollen! Umso frustrierender, wenn das Vertrauen trotzdem fehlt.
Psychologische Sicherheit als Türöffner für Beteiligung und Vertrauen im Team

Was ist es dann, was Beteiligte dennoch davon abhält sich offen am Gedankenaustausch zu beteiligen, Vor- und Nachteile abzuwägen, sich einzubringen?
Hier fehlt die psychologische Sicherheit!
Die oben genannte Erfahrung mit unproduktiven Meetings haben das Team verunsichert. Ist es wirklich gewünscht, dass ich mich bei wichtigen Entscheidungen einbringe? Oder wollen wir aufgrund der Zeit lieber schnell zum Ergebnis kommen und soll ich mich der Mehrheit einfach anschließen? Wie offen und ehrlich darf ich mich hier kritisch äußern, ohne mit negativen Folgen rechnen zu müssen?
Was macht ein Teammitglied, wenn es sich nicht sicher fühlt? Es hält sich zurück. Verfolgt erst mal vorsichtig, wie die anderen ticken. Hat es eine klare Meinung, bringt es sie nicht direkt ein, sondern tastet sich heran, manchmal strategisch, manchmal abwartend.
Es beobachtet, wer welche Rolle übernimmt, was unausgesprochen mitschwingt, welche alten Themen plötzlich wieder auftauchen. Vielleicht geht es längst nicht mehr nur um die Sache, sondern auch um alte Verletzungen oder unausgesprochene Konflikte. Und natürlich: Der Blick zur Führungskraft fehlt nie. Wird das hier wirklich gewollt? Wird meine Meinung gehört?
Solche Dynamiken sind Alltag. Und sie haben Folgen: Entscheidungen ziehen sich, kosten der Organisation Zeit und Energie. Die Qualität leidet.
Was gute Entscheidungen im Team ausmacht und warum sich der Aufwand lohnt
Gute Entscheidungen müssen nicht ewig dauern. Oft entstehen sie genau dann, wenn das vorhandene Wissen und die Erfahrungen aus dem Team wirklich einfließt und zwar rechtzeitig und zielgerichtet. Wenn Menschen merken: Ich bin gefragt. Meine Perspektive zählt., steigt nicht nur die Qualität der Entscheidung, sondern auch die Bereitschaft, sie mitzutragen und umzusetzen.
Kurz gesagt: Alle bringen sich ein und das gesamte Arbeitsumfeld profitiert von der Vielfalt.
Aber es braucht mehr als nur die Einladung mitzureden.
Eine wirklich tragfähige Entscheidung im Team entsteht dann,
- wenn auch kritische oder abweichende Stimmen Platz haben,
- wenn Widerstand nicht abgewürgt, sondern als Ressource gesehen wird,
- wenn Spannungen nicht gemieden, sondern gehalten werden können,
- und wenn sich alle zumindest gehört und gesehen fühlen, auch wenn nicht jede Meinung übernommen wird.
Dann entsteht ein echter gemeinsamer Boden, der auch in stürmischen Zeiten trägt.
In der Entscheidungsfindung die Ressource des Widerstands erkennen
Für einen neuen, partizipativen Ansatz braucht es eine Führungskraft, die trainiert ist und die die Dynamik von Menschen und Gruppen versteht und gut damit umgehen kann. Die ein Umfeld schafft, in dem sich alle psychologisch sicher fühlen und sich trauen zu sagen, was wirklich wichtig ist. Und die gleichzeitig das Handwerkszeug mitbringt, um trotz aller Unterschiede klare, effektive Entscheidungen zu treffen.
Denn das „NEIN“ ist in Wahrheit kein Störfaktor, es ist ein wichtiger Hinweis.
- Weil es zeigt, wo etwas (noch) nicht stimmig ist
Ein NEIN signalisiert: Da fehlt noch was. Da gibt’s einen blinden Fleck. Da will etwas gesehen oder geklärt werden.
Ignoriert man es, taucht es später wieder auf: Als Widerstand, Rückzug oder passives Nicht-Mittragen.
2. Weil es oft für das Unausgesprochene steht.
Viele Menschen sagen nicht gleich NEIN. Sie zögern, schweigen, grummeln innerlich. Das echte NEIN bringt ans Licht, was sonst im Untergrund weiterwirkt.
3. Weil es Entwicklungspotenzial enthält.
Im NEIN steckt häufig eine neue Perspektive, eine Ergänzung, ein noch nicht beachteter Aspekt. Es schützt davor, vorschnell Ja zu sagen, nur um Konflikte zu vermeiden.
Es lädt dazu ein, tiefer zu fragen: Was fehlt noch, damit es wirklich stimmig wird?
Ein Leitfaden, die Entscheidungsfindung im Team erfolgreich zu begleiten

Sind Sie vom Mehrwert der Teamentscheidungen überzeugt und wirklich an den Perspektiven der Teammitglieder interessiert, hab ich eine gute Nachricht für Sie: Das Schaffen von Psychologischer Sicherheit ist Übungssache und kann trainiert werden. Genauso wie die Fähigkeit strukturiert Entscheidungsfindungen zu moderieren.
Ein hilfreiches Werkzeug auf diesem Weg ist das bewusste Wahrnehmen von „Lean In“ und „Lean Out“. Es unterstützt Sie dabei, sowohl Ihre eigene Haltung klar zu zeigen als auch einen Rahmen zu schaffen, in dem sich auch andere trauen, ihre Gedanken, Zweifel und Gefühle offen einzubringen. Denn nur wenn unterschiedliche Perspektiven gehört werden – auch die leisen, kritischen oder zögerlichen –, kann daraus eine Entscheidung entstehen, die wirklich gemeinsam getragen wird.
Damit solche Entscheidungsprozesse im Team gelingen, braucht es Führungskräfte, die
- sensibel sind für unausgesprochene Spannungen und Gruppendynamiken,
- echtes Interesse an den Sichtweisen der Beteiligten mitbringen,
- Räume öffnen, in denen auch Unfertiges, Emotionales und Widersprüchliches Platz haben darf,
- und Methoden nutzen, die helfen, Vielfalt zu bündeln statt sie zu glätten.
1. Schritt: Holen Sie alle Sichtweisen ein
Machen Sie in Ihrer Führungsrolle einen ersten Vorschlag und fragen Sie dann ernsthaft nach abweichenden Perspektiven. Achten Sie darauf, dass wirklich alle Meinungen zu Wort kommen. Vermitteln Sie die Botschaft, dass Ihnen die Argumente jeder einzelnen Person wichtig sind – geben Sie also viel Raum.
2. Schritt: Schaffen Sie Sicherheit für das „Nein“
Es ist unvermeidlich, dass es in Gruppen und Teams unterschiedliche Ansichten und Meinungen gibt. So wie jeder von uns einen ganz individuellen Fingerabdruck hat, haben wir auch unsere eigene Art die Welt zu sehen.
Statt Menschen mit abweichenden Ansichten in Ihre Schranken zu verweisen oder sie zu ignorieren, sollten Sie sie fördern. So kann eine nötige Sicherheit entstehen damit andere, neue Perspektiven zum Ausdruck gebracht werden und vermeidet aufkommenden Widerstand. Andere Sichtweisen müssen auch nicht immer bedeuten, grundlegend anders. Manchmal sind sie nur leicht abweichend.
Achten Sie hier im 2. Schritt auf ‚Neins‘, die vielleicht nicht direkt ausgesprochen werden.
Menschen, die sich in der Vergangenheit entmachtet empfunden haben, verfallen oftmals in Schweigen und starren die Person an, die um Zustimmung bittet, oder Nicken einfach. Das könnte man leicht als JA auffassen, ist es aber oftmals nicht.
Achten Sie hier auf Ihren Tonfall und signalisieren Sie: „Hier bist Du sicher!“
Ebenfalls ist es nützlich, wenn Sie darlegen, warum die Idee oder das Projekt scheitern könnte. So öffnen Sie den Raum für andere Ansichten oder unpopuläre Meinungen. Sie schaffen Sicherheit für das NEIN.
3. Schritt: Das NEIN ausrollen
Sicherlich haben Sie es selbst schon mal erlebt: Sie äußerten eine andere Meinung und was folgte war ein Schweigen. Vielleicht fühlten Sie sich einsam, isoliert und vielleicht wünschten Sie sich, sie hätten lieber nichts gesagt.
Und anschließend in der Pause kamen dann Leute auf Sie zu, bedankten sich dafür, dass Sie ausgesprochen haben, was andere auch so empfinden. Die Realität ist, auch andere Menschen sind ihrer Meinung. Sie sind nur nicht mutig genug, sie auszusprechen.
Nur wenn Sie andere einladen, ihr NEIN zu äußern, fördern Sie eine breitere Beteiligung, gewinnen das Wissen der Vielfalt und senken den Widerstand.
Stellen Sie also Fragen wie z. B. „Sieht das noch jemand so?“ oder „Gibt es weitere, andere Standpunkte?“
4. Schritt: Gemeinsam als Team entscheiden
Nachdem alle alternative Ansichten identifiziert wurden, entscheiden alle Anwesenden über den Vorschlag per Handzeichen. Wenn für Sie sichtbar wird, dass Sie für Ihren Vorschlag eine Mehrheit haben, kommt nun das Besondere: Sie holen die „Weisheit der Minderheit ins Boot!“
Dahinter steckt die Haltung, dass die Personen die in der Minderheit sind, über Informationen verfügen, die der Mehrheit (noch nicht) zur Verfügung steht.
Mit der Frage „Was brauchst Du, um mitzugehen?“ wird dieses Wissen aufgedeckt.
Berücksichtigen Sie die Antwort, integrieren Sie sie in die überarbeitete Vereinbarung und bringen Sie sie erneut zur Entscheidung ins Gesamtteam ein.
Es kann jedoch vorkommen, dass die Gruppe mit der geänderten Entscheidung nicht einverstanden ist. Dann können Sie es noch einmal versuchen.
Erst mit der Zustimmung aller beteiligten Personen gilt die Entscheidung als getroffen.
Sollten Sie jedoch mehrere Runden brauchen und dennoch nicht zu einer Entscheidung kommen, ist es ein Hinweis darauf, dass es hier noch ein anderes und/oder größeres Problem gibt.
Starke Umsetzungskraft durch Kollaboration
Das Erleben eines solchen strukturierten Entscheidungsprozess stärkt das Gefühl: „Hier werde ich gehört und es lohnt sich, dass ich mich einbringe.“ Somit steigt die Eigenverantwortung und Handlungsenergie im Team. Gleichzeitig wächst die psychologische Sicherheit, weil auch Zweifel und Einwände Raum bekommen. Entscheidungen werden nicht mehr im Konsens gesucht, der alle begeistert, sondern der aufzeigt: Es gibt keine schwerwiegenden Einwände – wir können gemeinsam loslegen. Mit etwas Übung entwickelt sich daraus eine wirksame Entscheidungskultur, die Teams befähigt, selbst komplexe Fragen gemeinsam und zügig zu klären.
Noch mehr zum Thema?
Hier finden Sie ein interessantes Interview mit Myrnia Lewis zum Thema Deep Democracy.
Und hier ein Podcast zum Thema Rang und Macht mit Barbara und Eva Stützel.
Vielleicht interessiert Sie auch mein Blogartikel zum Thema Konflikte im Team
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