Klar gibt es sie: Die perfekten Mitarbeiter. Menschen, die sich ideal anpassen, nirgendwo anecken und dabei stets top performen. Allerdings nur im Roman oder Film.
Im wahren Leben haben die Menschen so ihre Macken. Ja, auch Sie! Und wenn Sie in einer Führungsrolle sind, sollten Sie Ihre eigenen gut kennen – und im Blick halten.
Wie geht es Ihnen mit den Eigenarten Ihrer Mitarbeiter? Im besten Fall können Sie über sie schmunzeln. Aber dann würden Sie höchstwahrscheinlich nicht diesen Beitrag lesen.
Vielleicht fragen Sie sich aber auch, ob Sie es sind, der zu empfindlich reagiert und ob es überhaupt Sinn macht, die betreffende Person anzusprechen. Denn wir wissen ja, wir können Menschen nicht verändern.
Wenn der Mitarbeiter, der früher nur gelegentlich zu spät kam, inzwischen regelmäßig zu wichtigen Meetings nicht pünktlich erscheint, oder wenn die Kollegin, deren Präsentationen früher kleine Flüchtigkeitsfehler enthielten, mittlerweile Charts mit gravierenden inhaltlichen Mängeln abgibt, oder wenn das Teammitglied, das früher gern noch einmal zur Sicherheit nachfragte, jetzt jeden kleinsten Schritt doppelt und dreifach rückversichert und Ihnen mit seinem Mail-Marathon Energie und Fokus raubt – dann haben sich harmlose Macken zu dysfunktionalem Verhalten entwickelt.
Das fällt unter den klassischen Umgang mit schwierigen Mitarbeitern. Und dann sollten Sie als Führungskraft unbedingt reagieren! Und zwar zügig. Ansonsten besteht die Gefahr, dass Sie einen Groll auf Ihren Kollegen entwickeln und Ihnen irgendwann der Kragen platzt.
Den Redebedarf prüfen
Vor dem Gespräch überlegen Sie sich gut, ob es Sinn macht, das Verhalten, dass Sie als unangenehm oder nervig empfinden, anzusprechen:
- Ist es wirklich problematisch?
- Wirkt es sich negativ auf die Zusammenarbeit und aufs Team aus?
Oder merken Sie, dass Sie auf bestimmte Verhaltensweisen besonders sensibel reagieren – vielleicht aus persönlichen Gründen –, obwohl diese objektiv betrachtet gar nicht auffällig sind?
Das Gespräch mit schwierigen Kollegen

In der Vergangenheit war die Empfehlung für entsprechende Gespräche: Immer schön sachlich bleiben!
Mittlerweile wurde erkannt, das führt selten zur einer nachhaltigen Lösung. Stattdessen führt es oft zu einer zermürbenden Diskussion oder gar zu einem Konflikt.
Der Haken an der Sache: Jeder erlebt die Welt auf seine ganz persönliche Art.
Zwar lässt sich nicht über die Tatsache streiten, dass der Mitarbeiter verspätet zu den Meetings erschien. Aber sehr wohl darüber, wie relevant oder kritisch das war. Aus eigener Sicht, stecken hinter dem Verhalten stets auch „gute Gründe“.
Dem Teammitglied, das sich bei allem rückversichert, geht es vielleicht darum, dass keine Missverständnisse entstehen, was er nun ausführlich begründet. Darüber, wo sinnvolle Abstimmung endet und Überabsicherung beginnt, lässt sich endlos diskutieren.
Auch kann eine sachliche und direkte Ansprache zu Trotzreaktionen führen: Denn Menschen lassen sich nicht gerne vorschreiben, wie sie sich zu verhalten haben. Nach dem Motto: „Jetzt erst recht“ wird das kritisierte Verhalten nun extra an den Tag gelegt, manchmal still und heimlich, oft aber auch ganz offen als Zeichen der Rebellion.
Die eigenen Gefühle artikulieren
Ziehen Sie als Führungskraft eine vertrauensvolle Beziehung zu Ihren Mitarbeitern vor, empfehle ich: Bringen Sie Ihre eigenen Gefühle ins Spiel.
Damit meine ich nicht, Ihre eigenen Gefühle ungefiltert herauszubrüllen, den eigenen Ärger oder Ihre Enttäuschung den Mitarbeiter so richtig spüren zu lassen. Und schon gar nicht meine ich damit, Ihre Gefühle als Vorwurf gegen den Menschen zu nutzen wie z. B.: „Weißt Du, was mich an Dir nervt…..“
Vielmehr geht es darum Ihrem Gegenüber mitzuteilen, was ein bestimmtes Verhalten bei Ihnen ausgelöst hat. Hier geht es nicht um die unumstößliche Wahrheit, sondern um ein Gefühl. Und darüber lässt sich nicht diskutieren, es ist einfach da: „Dass Du zu den letzten drei Meetings zu spät kamst, geht mir auf die Nerven.“ Oder: „Deine Absicherungs-Mails rauben mir echt Energie.“ Solche Aussagen lassen keinen Raum für Auseinandersetzungen.
In meinen Workshops bekomme ich an dieser Stelle hin und wieder ein: „Das kann ich doch so nicht sagen! Damit mache ich ja erst recht die Beziehung zum Mitarbeiter kaputt.“
Wie immer in der Kommunikation gilt auch hier: Der Ton macht die Musik. Wichtig ist, hier nicht über die Stränge zu schlagen und das was Sie sagen, nicht zur Anklage werden zu lassen.
Erfolgreich führen durch emotionale Ehrlichkeit

Dann kann es sogar die Beziehung zu Ihren Mitarbeitern stärken. Denn damit zeigen Sie etwas, das Menschen – gerade in professionellen Beziehungen – sonst lieber für sich behalten. Letztendlich zeigen Sie Vertrauen, das aussagt: „Ich vertraue darauf, dass unsere Beziehung so stabil ist, dass sie meine emotionale Ehrlichkeit aushält.“
Achten Sie darauf, dass das Gespräch keine Einbahnstraße wird. Laden Sie Ihre Mitarbeiterin dazu ein, mit Ihnen über ihre Gefühlslage zu sprechen. Speziell über die Gefühle, die sie zu dem fraglichen Verhalten veranlasst. In der Regel geht es dabei um Gefühle, die entweder vermieden werden wollen oder darum, positive Gefühle zu erlangen.
Top Tipp im Umgang mit schwierigen Mitarbeitern: Labeln Sie
Wahrscheinlich haben Sie sich schon gefragt, wie Sie es im Gespräch mit dem Mitarbeiter schaffen, die Gefühle des Gegenübers anzusprechen bzw. sie ihm zu entlocken. Dazu bietet sich die Technik des Labelings an:
- Verpassen Sie dem Gefühl der anderen Person ein Etikett – ein Label.
Beispiel: „Dass Du es zur Zeit nicht pünktlich in die Meetings schaffst sagt mir, dass Du unter Stress stehst.“ oder
„Wenn ich an Deine Präsentationen denke, vermute ich, dass Du aufgewühlt bist und Dich daher nicht konzentrieren kannst.“ Oder „Deine Absicherungs-Mails zeigen mir, dass Du Angst hast, Fehler zu machen.“
- Trauen Sie sich Vermutungen anzustellen!
Liegen Sie richtig, fühlt sich Ihr Teammitglied gesehen, erkannt und anerkannt.
Liegen Sie daneben, wird Ihr Mitarbeiter Ihre Aussage korrigieren und Sie erfahren mehr über seine Gefühlslage, Arbeitssituation oder eventuell sogar über derzeitige private Probleme.
In beiden Fällen zeigen Sie, dass Sie sich Gedanken über Ihren Mitarbeiter machen – auch das stärkt Ihre Beziehung und fördert die Motivation gemeinsam eine Lösung zu entwickeln. Denn niemand möchte für schlechte Gefühle eines anderen Menschen verantwortlich sein:
Sie möchten nicht, dass sich Mitarbeitende ängstlich oder überfordert fühlen.
Mitarbeitende möchten nicht, dass Sie sich über sie ärgern oder dass ihr Verhalten Sie stresst.
Der richtige Umgang mit schwierigen Mitarbeitern: Damit´s für alle leichter wird
Vom Psychologen und Therapeuten Manfred Prior stammt die sogenannte VW-Regel. Sie besagt, dass hinter jedem Vorwurf (V) ein Wunsch (W) steckt.
Dabei spielt es keine Rolle, ob Sie sich den Vorwurf nur denken oder ihn äußern.
Finden Sie heraus, welcher Wunsch bei Ihnen hinter einem Vorwurf steckt. Manchmal liegt er auf der Hand, manchmal braucht es (etwas) Reflexion:
- Was genau stört mich eigentlich an diesem Verhalten?
- Und was wünsche ich mir stattdessen?
Zum Beispiel: „Ich wünsche mir, dass Du mehr eigene Entscheidungen triffst und Dich weniger bei mir rückversicherst.“
Wichtig dabei ist, den Wunsch auch wirklich als Wunsch zu äußern und nicht als Erwartung. Denn Wünsche laden zur Kooperation ein, Erwartungen provozieren Widerstand.
Überlegen Sie gemeinsam mit Ihrem Mitarbeiter, wie es gelingen kann, dass er sich weniger bei Ihnen rückversichert. Was braucht er oder sie, damit es nicht gleichzeitig zu Unsicherheit und Zweifel führt. Werden Sie so konkret wie möglich. Ansonsten ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Wirkung schnell wieder verpufft. Eine Absprache könnte lauten:
„Wenn sich der Mitarbeiter bei einer Entscheidung unsicher fühlt, dann bespricht er sich zuerst mit einer Kollegin. Erst wenn ihm danach noch immer Zweifel plagen, wendet er sich an mich.“
Das eigene Verhalten zu ändern ist immer herausfordernd – gelingt aber umso leichter, je klarer Sie sich sind, wie Ihr neues Verhalten aussieht.
Sie haben bedenken?

Erfahrungsgemäß weiß ich, dass sich manch einer denkt: „Ist ja alles schön und gut….auf dem Papier. Aber ich fürchte, wenn ich meinen Ärger anspreche könnte es passieren, ich rede mich in Rage und dann kommt es erst recht zum Konflikt.“
In der Regel ist diese Sorge unbegründet. Indem Sie Ihre negativen Gefühle aussprechen, verhindern Sie gerade, dass sie unterschwellig weiterwirken. Sobald Sie sie benennen, verlieren sie ihre Energie. Und das gilt auch in der Gegenrichtung.
Sprechen Sie die negativen Gefühle an, die Sie am Gegenüber wahrnehmen. Sie müssen ihnen nicht zustimmen, es hilft jedoch, wenn Sie sie anerkennen. Das ist das beste Gegenmittel gegen eine Eskalation und einen Konflikt.
Bestreiten Sie jedoch, dass Ihr Mitarbeiter diese Gefühle haben darf – „Warum regst Du Dich so auf?“ dann versetzen Sie den anderen erst in Wut.
„Du bist genervt“, ist dagegen eine Aussage, die beruhigend wirkt. Zumindest wenn es nicht als Vorwurf, sondern als Feststellung formuliert wird.
Wichtigster Tipp, um wirklich Einfluss auf das Verhalten des Mitarbeiters zu nehmen
Bevor Sie als Führungskraft über Ihre Gefühle sprechen, ist es wichtig, dass Sie Ihre inneren Vorbehalte gegenüber dem Mitarbeitenden ehrlich anschauen:
- Was stört mich wirklich an seinem Verhalten?
- Was löst er oder sie in mir aus – und was hat das vielleicht auch mit mir zu tun?
Wenn Sie diese Dynamik verstehen, können Sie eine Haltung entwickeln, die nicht aus Reaktion, sondern aus Klarheit und Verantwortung heraus entsteht. Und erst auf dieser Grundlage macht es Sinn, den eigenen Emotionen Ausdruck zu verleihen – und die Emotionen des Gegenübers anzuerkennen.
Wirkliche Veränderung braucht keine Helden – nur den ersten Schritt. Ich freue mich, wenn er zu mir führt. Hier gehts lang.
Wenn Sie vorab das Thema vertiefen möchten: Mein Beitrag ‚Konflikte im Team‘ könnte auch spannend für Sie sein.