Warum ein neues Führungsverständnis notwendig ist

Die moderne Unternehmenswelt ist geprägt von rasanten Veränderungen, hoher Komplexität und ständigem Wettbewerb. Um in diesem Umfeld erfolgreich zu sein, brauchen wir ein neues Führungsverständnis. Es geht nicht mehr nur darum, wer welche Führungsposition innehat, sondern darum, das Prinzip der Führung zu verstehen und umzusetzen.

Was bedeutet Führung heute?

Führung als Funktion und Prozess

Ganz grob bezeichnet ist Führung der Mechanismus, durch den Aufgaben, Herausforderungen und Ziele in einem Unternehmen beantwortet und auch Ideen entwickelt und umgesetzt werden. Er umfasst die Fähigkeit, alle an diesem Prozess beteiligten Menschen mit ihren Kompetenzen so zu orchestrieren, dass die anvisierten Ziele bestmöglich realisiert werden. Führung

  • gibt Orientierung,
  • trifft Entscheidungen,
  • sorgt für die Umsetzung,
  • fördert Reflexion und Austausch,
  • bearbeitet Spannungen und Konflikte und
  • bietet Schutz und Sicherheit.
Neues Führungsverständnis

Verteilte Führung: Ein neues Paradigma

Führung kann im Team und im gesamten Unternehmen verteilt werden, da alle Menschen bestimmte Stärken und Schwächen haben. Dies entlastet nicht nur überforderte Führungskräfte, sondern entspricht auch dem Bedürfnis vieler Mitarbeiter:innen, ihren eigenen Spielraum für Verantwortung und Gestaltung zu vergrößern.

Verteilte Führung bedeutet, dass die Verantwortung für Führung nicht nur bei einer einzelnen Person oder einer kleinen Gruppe von Führungskräften liegt, sondern auf viele Schultern verteilt wird. Dies kann auf verschiedene Weise geschehen, zum Beispiel durch selbstorganisierte Teams, bei denen die Teammitglieder abwechselnd die Führung übernehmen oder durch flache Hierarchien, bei denen Entscheidungen gemeinschaftlich getroffen werden. Diese Ansätze fördern die Eigenverantwortung und das Engagement der Mitarbeiter, da sie aktiv in die Gestaltung ihrer Arbeit und die Erreichung der Unternehmensziele eingebunden werden.

Führungsstile im Vergleich

Funktional-hierarchische Führung

Merkmale und Umfeld

Der funktional-hierarchische Führungsstil zeichnet sich durch klare Strukturen, feste Hierarchien und definierte Rollen aus. Entscheidungen werden Top-Down getroffen, also von oben nach unten, und es gibt wenig Raum für Mitbestimmung der Mitarbeiter. Dieser Führungsstil ist besonders in traditionellen Unternehmen weit verbreitet, die großen Wert auf Stabilität, Kontrolle und Effizienz legen. Die Hierarchien sind in der Regel streng gegliedert, und die Kommunikationswege verlaufen hauptsächlich vertikal.

Vor- und Nachteile

Ein Vorteil dieses Stils ist die Klarheit und Effizienz in Entscheidungsprozessen. Da die Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten klar definiert sind, können Entscheidungen schnell getroffen und umgesetzt werden. Dies ist besonders in Krisensituationen von Vorteil, in denen schnelles Handeln erforderlich ist. Allerdings kann der funktional-hierarchische Führungsstil zu geringer Motivation und Kreativität bei den Mitarbeiter führen, da deren Einbindung und Eigenverantwortung limitiert sind. Die starre Struktur kann zudem die Anpassungsfähigkeit des Unternehmens an Veränderungen behindern.

Geeignete Mitarbeiter und Auswirkungen auf die Motivation

Dieser Führungsstil ist geeignet für Mitarbeiter, die klare Anweisungen und Strukturen bevorzugen und weniger Wert auf Mitbestimmung legen. Er kann jedoch das Engagement mindern, da die Möglichkeiten zur Mitgestaltung und Eigeninitiative eingeschränkt sind. Mitarbeiter, die sich stärker einbringen und ihre Ideen einbringen möchten, könnten sich unter diesem Führungsstil unterfordert und demotiviert fühlen.

Partizipativ-kollegiale Führung

Merkmale und Umfeld

Beim partizipativ-kollegialen Führungsstil werden Entscheidungen gemeinsam im Team getroffen. Kommunikation und Zusammenarbeit stehen im Vordergrund, und die Meinungen aller Teammitglieder werden berücksichtigt. Dieser Führungsstil fördert eine offene und transparente Unternehmenskultur, in der alle Mitarbeiter ermutigt werden, ihre Ideen und Vorschläge einzubringen. Die Entscheidungsprozesse sind demokratischer, und die Führungskräfte agieren eher als Moderatoren und Unterstützer denn als autoritäre Entscheider.

Vor- und Nachteile

Dieser Führungsstil fördert die Motivation und das Engagement der Mitarbeiter, da sie aktiv in Entscheidungsprozesse eingebunden werden. Mitarbeiter fühlen sich wertgeschätzt und gehört, was ihre Zufriedenheit und Loyalität gegenüber dem Unternehmen erhöht. Allerdings kann die Entscheidungsfindung zeitaufwändiger sein, was in dringenden Situationen nachteilig sein kann. Zudem besteht die Gefahr, dass keine klaren Entscheidungen getroffen werden, wenn es an Konsens fehlt.

Geeignete Mitarbeiter und Auswirkungen auf die Motivation

Dieser Stil ist besonders geeignet für kreative und selbstmotivierte Mitarbeiter , die sich gerne einbringen und Verantwortung übernehmen. Er erhöht die Zufriedenheit und das Engagement, da die Mitarbeiter sich wertgeschätzt und gehört fühlen. Mitarbeiter, die eine hohe intrinsische Motivation haben und in einem kollaborativen Umfeld arbeiten möchten, profitieren besonders von diesem Führungsstil.

Kompetenzbasierte Führung

Merkmale und Umfeld

Die kompetenzbasierte Führung fokussiert sich auf die individuellen Stärken und Fähigkeiten der Mitarbeiter. Aufgaben und Verantwortlichkeiten werden entsprechend der jeweiligen Kompetenzen verteilt, unabhängig von der hierarchischen Position. Dieser Führungsstil erkennt an, dass nicht alle Führungskompetenzen in einer einzigen Person vereint sein müssen, sondern dass verschiedene Personen in unterschiedlichen Bereichen führen können, basierend auf ihrer Expertise und Erfahrung.

Vor- und Nachteile

Dieser Führungsstil maximiert die Effizienz und Effektivität, da Aufgaben und Entscheidungen von denjenigen übernommen werden, die am besten dafür geeignet sind. Dies führt zu einer höheren Qualität der Arbeitsergebnisse und einer schnelleren Problemlösung. Allerdings erfordert dieser Ansatz ein hohes Maß an Selbstkenntnis und Vertrauen innerhalb des Teams, da die Mitarbeiter ihre eigenen Stärken und Schwächen sowie die der anderen Teammitglieder erkennen und akzeptieren müssen.

Geeignete Mitarbeiter und Auswirkungen auf die Motivation

Kompetenzbasierte Führung ist ideal für Mitarbeiter, die ihre Fähigkeiten voll ausschöpfen und weiterentwickeln möchten. Sie führt zu hoher Zufriedenheit und Motivation, da jeder seine Stärken optimal einbringen kann. Mitarbeiter, die sich kontinuierlich verbessern und wachsen möchten, finden in diesem Führungsstil die Unterstützung und Anerkennung, die sie benötigen.

Fragen zur Verteilung von Führung im Unternehmen

Geführt werden

Wer führt und wie wird geführt?

Die zentrale Frage in einem Unternehmen sollte sein: Wer führt und wie wird geführt bzw. wie möchte künftig geführt werden? Es ist wichtig, klare Antworten darauf zu finden, wie Entscheidungen getroffen und wie für deren Umsetzung gesorgt wird. Eine klare Führungsstruktur ist entscheidend, um Missverständnisse und Ineffizienzen zu vermeiden. Unternehmen müssen festlegen, welche Rolle jeder Einzelne in den verschiedenen Führungssituationen übernimmt und wie die Kommunikation und Zusammenarbeit gestaltet werden sollen.

Selbstführung und Fremdführung

In einem modernen Führungsverständnis müssen sich Unternehmen und deren Teams auch damit auseinandersetzen, wo sich jeder Mitarbeiter selbst führt, wo er oder sie geführt wird und wo er oder sie andere führt. Diese Klarheit ist entscheidend, um Verantwortung und Zuständigkeiten klar zu definieren und somit die Effizienz und Zufriedenheit im Team zu steigern. Selbstführung bedeutet, dass Mitarbeiter in der Lage sind, ihre eigenen Aufgaben zu organisieren, ihre Ziele zu setzen und ihre Leistung zu überwachen. Fremdführung hingegen bezieht sich auf die Anleitung und Unterstützung durch Vorgesetzte oder Kollegen.

Selbstführung im Detail

Selbstführung erfordert eine hohe Eigenmotivation und Selbstdisziplin. Mitarbeiter müssen in der Lage sein, ihre eigenen Stärken und Schwächen zu erkennen und ihre Arbeit entsprechend zu organisieren. Dies beinhaltet das Setzen von Prioritäten, das Zeitmanagement und die Fähigkeit, sich selbst zu motivieren. Unternehmen können die Selbstführung unterstützen, indem sie ihren Mitarbeitern die nötigen Ressourcen und Werkzeuge zur Verfügung stellen und eine Unternehmenskultur des Vertrauens und der Autonomie fördern. Und natürlich auch durch die „neue“ Führungskraft, die hier unterstützend zur Seite steht.

Fremdführung im Detail

Fremdführung bleibt auch in einem modernen Führungsverständnis wichtig. Führungskräfte müssen ihre Mitarbeiter unterstützen, indem sie klare Ziele gemeinsam erarbeiten, Feedback geben und bei Bedarf eingreifen, um Probleme zu lösen. Fremdführung sollte jedoch nicht als autoritär oder kontrollierend wahrgenommen werden, sondern als unterstützend und fördernd. Die richtige Balance zwischen Selbstführung und Fremdführung ist entscheidend, um ein produktives und motiviertes Arbeitsumfeld zu schaffen. Das lässt sich am besten in gemeinsamen Workshops erarbeiten.

Führung von anderen

Neben der Selbstführung und Fremdführung gibt es auch Situationen, in denen Mitarbeiter:innen andere führen. Dies kann in Form von Mentoring, Projektleitung oder temporärer bzw. kompetenzbasierte Übernahme von Führungsverantwortung geschehen. Führung von anderen erfordert Kommunikationsfähigkeiten, Empathie und die Fähigkeit, andere zu motivieren und zu inspirieren. Unternehmen sollten ihre Mitarbeiter:innen darauf vorbereiten, indem sie Schulungen und Entwicklungsmöglichkeiten anbieten.

Die Bedeutung innerer und äusserer Kompetenzen für ein neues Führungsverständnis

Innere Kompetenzen

Damit alle Beteiligten den Anforderungen moderner Führung gerecht werden können, sind bestimmte innere Kompetenzen notwendig. Sowohl Führungskräfte als auch Mitarbeiter benötigen Fähigkeiten wie Selbstreflexion, Empathie, Kommunikationsstärke und Konfliktlösungsfähigkeiten. Meiner Erfahrung nach lassen sich diese am leichtesten durch achtsame Übungen erlernen und in den Alltag integrieren. Dann können die Menschen in den Organisationen ihre Rolle effektiv wahrnehmen und zum Gesamterfolg beitragen.

Selbstreflexion

Innere Kompetenzen

Selbstreflexion ist die Fähigkeit, das eigene Verhalten, die eigenen Entscheidungen und die eigenen Gefühle zu analysieren und zu bewerten. Sie ermöglicht es den Mitarbeiter:innen, aus ihren Erfahrungen zu lernen und sich kontinuierlich zu entwickeln. Führungskräfte, die selbstreflektiert sind, können ihre Führungsstrategien anpassen und besser auf die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter eingehen (siehe dazu auch Emotionale Führung nach Goleman).

Empathie

Empathie ist die Fähigkeit, die Gefühle und Perspektiven anderer Menschen zu verstehen und nachzuvollziehen. Empathische Führungskräfte können eine positive Arbeitsumgebung schaffen, in der sich die Mitarbeiter wertgeschätzt und verstanden fühlen. Empathie fördert die Kommunikation und Zusammenarbeit im Team und trägt dazu bei, Konflikte zu vermeiden oder zu lösen.

Kommunikationsstärke

Gute Kommunikationsfähigkeiten sind unerlässlich für eine effektive Führung. Führungskräfte müssen in der Lage sein, ihre Vision und Ziele klar zu kommunizieren, Feedback zu geben, zuzuhören und Meetings so zu moderieren, dass jede:r gehört und gesehen wird. Eine offene und transparente Kommunikation fördert das Vertrauen und die Zusammenarbeit im Team.

Konfliktlösungsfähigkeiten

Spannungen sind in jedem Unternehmen unvermeidlich. Führungskräfte müssen in der Lage sein, Konflikte frühzeitig zu erkennen und konstruktiv zu lösen. Dies erfordert die Fähigkeit, ruhig und besonnen zu bleiben, verschiedene Perspektiven zu berücksichtigen und nach gemeinsamen Lösungen zu suchen.

Äussere Instrumente, Prozesse und Strukturen für das neue Führungsverständnis

Neben den inneren Kompetenzen müssen auch die äußeren Instrumente, Prozesse und Strukturen innerhalb des Unternehmens angepasst werden, um eine moderne Führung zu unterstützen. Dies umfasst flexible Arbeitsmodelle, transparente Kommunikationskanäle und klare Prozessbeschreibungen.

Flexible Arbeitsmodelle

Flexible Arbeitsmodelle, wie Homeoffice, Gleitzeit oder Teilzeitarbeit, ermöglichen es den Mitarbeiter:innen, ihre Arbeit besser mit ihrem Privatleben zu vereinbaren. Dies führt zu höherer Zufriedenheit und Produktivität. Unternehmen sollten ihre Arbeitsmodelle regelmäßig überprüfen und an die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter anpassen.

Transparente Kommunikationskanäle

Transparente Kommunikationskanäle sind entscheidend, um eine offene und vertrauensvolle Arbeitsumgebung zu schaffen. Dies umfasst regelmäßige Meetings, Feedback-Runden und digitale Plattformen, auf denen Informationen schnell und unkompliziert ausgetauscht werden können. Eine gute Kommunikation fördert das Verständnis und die Zusammenarbeit im Team.

Klare Prozessbeschreibungen

Klare Prozessbeschreibungen helfen den Mitarbeiter:innen, ihre Aufgaben und Verantwortlichkeiten besser zu verstehen. Sie schaffen Transparenz und erleichtern die Zusammenarbeit. Unternehmen sollten regelmäßig, gemeinsam mit ihren Mitarbeiter:innen, ihre Prozesse überprüfen und optimieren, um sicherzustellen, dass sie effizient und effektiv sind.

Fazit: Die Zukunft der Führung

Ein neues Führungsverständnis, das auf verteilte Führung und Selbstorganisation setzt, ist unerlässlich, um in der heutigen Unternehmenswelt agil, flexibel und selbstorganisiert zu arbeiten. Es erfordert eine verstärkte Selbstführung der Menschen im Unternehmen, um den Herausforderungen der modernen Arbeitswelt gewachsen zu sein. Führung gibt Orientierung, trifft Entscheidungen, sorgt für die Umsetzung, fördert Reflexion und Austausch, bearbeitet Spannungen und Konflikte und bietet Schutz und Sicherheit.

Zukunft der Führung

Durch die Auseinandersetzung mit Fragen der Führung und der Anpassung der inneren und äußeren Kompetenzen sowie Strukturen können Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig steigern. Es ist an der Zeit, Führung neu zu denken und zu leben, um den vielfältigen Anforderungen unserer Zeit gerecht zu werden. Eine klare Führungsstruktur, flexible Arbeitsmodelle, transparente Kommunikationskanäle und eine Unternehmenskultur der Selbstreflexion und Empathie sind entscheidend, um eine moderne und effektive Führung zu gewährleisten. Letztendlich ist es die Aufgabe jedes Einzelnen im Unternehmen, zur Führung beizutragen und Verantwortung zu übernehmen, um gemeinsam die Unternehmensziele zu erreichen.

Noch mehr über das neue Führungsverständnis?

Videos

Ein kurzes Video von Steve Jobshttps://www.youtube.com/watch?v=f60dheI4ARg

Studie

Human Capital Trends von Deloitte

Möchten Sie gerne die Führung innerhalb Ihres Unternehmens einmal reflektieren?

Ich freue mich, wenn Sie sich dazu mit mir in Verbindung setzen.